20100718

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll.
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: "Junge, wiste 'ne Beer?"
Und kam ein Mädel, so rief er: "Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn".

So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: "Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab."
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Bündner mit Feiergesicht
Sangen "Jesus meine Zuversicht".
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
"He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?"

So klagten die Kinder. Das war nicht recht -
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtrauen gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was er damals tat,
Als um eine Birn' ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gehen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet's wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her,
So flüstert's im Baume: "Wiste 'ne Beer?"
Und kommt ein Mädel, so flüstert's: "Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew' di 'ne Birn."

So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.


Theodor Fontane

Wer kennt dieses Gedicht nicht? Ich denke fast jeder von uns musste das Gedicht in der Grundschule auswendig lernen und in Kunst ein Bild dazu malen. Es ist ein schönes Gedicht - keine Frage. Ich mag Gedichte, die eine richtige Geschichte erzählen, die auch für Kinder im Grundschulalter verständlich ist.

Am schönsten finde ich den letzten Vers, der hat mir schon damals, als ich das Gedicht in der Grundschule das Gedicht gelernt habe so gut gefallen.
Ich weiß noch genau, dass ich die letze Strophe aufsagen sollte, und als meine Lippen den letzten Satz formten war es still im Klassenzimmer - niemand machte Quatsch, nein, alle lauschten den letzten Worten des Gedichts. Ich kann mich genau an diese Situation erinnern. Und immer, wenn mich das Gedicht begegnet dann habe ich wieder ein Einblick in meine Grundschulzeit. Eine Zeit im Leben eines Menschen, die so unbeschwert und glücklich verläuft, in der man keine Ahnung von dem Rest der Welt hat, man weiß nicht, was alles auf einen zukommen wird, sobald man älter wird.
Meine Grundschulzeit war schön, und ich erinnere mich gerne an sie.

1 Kommentar:

  1. Ich liebe dieses Gedicht! *seufz*

    Leider hatte ich es nach so viele Jahren schon wieder vergessen... Danke für's Posten, Du hast mir den Tag verschönert!

    Grüße von Cay

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